Intro – Die New Work Debatte
Alles redet von New Work, arbeiten 4.0 (sogar die Bundesregierung) und Industrie 4.0 (wo ist die 3.0 geblieben?), aber wer weiß eigentlich, um was es dabei genau geht?
Ich habe mir in letzter Zeit einige Artikel zu New Work durchgelesen. Dabei hat mich unter anderem der kritische Beitrag von Svenja Hofert aus August 2014 angesprochen – das ist eine meiner Leseempfehlungen für später zu dem Thema samt der Diskussion in den Kommentaren.
Was ist New Work – Definition(en)…
In Wikipedia ist zu lesen, dass der Begriff und das Konzept – New Work vom Austro-Amerikaner Frithjof Bergmann,
ausgehend von seiner Untersuchung des Freiheitsbegriffes, im Laufe seiner praktischen Forschungstätigkeit zum Thema Arbeit. Mit diesem Konzept antwortet er auf die dringende Frage der Erwerbslosigkeit nach dem Ende des Job-Systems
geprägt wurden.
So, nun ist natürlich Wikipedia nicht das Maß aller Dinge und entspricht auch nicht immer der Qualität eines guten alten Brockhaus.
Dennoch habe ich den Eindruck, dass bei der heutigen Diskussion um “New Work” oder auch “arbeiten 4.0” nur jeweils ein oder zwei Teilaspekte seines theoretischen Konstrukts im Vordergrund stehen.
Sein Konzept von New Work sieht (laut Wikipedia) nämlich Folgendes vor:
“Das frühkapitalistische System der Lohnarbeit soll langsam in die Neue Arbeit überführt werden. Diese soll aus drei Teilen bestehen:
- 1/3 Erwerbsarbeit,
- 1/3 High-Tech-Self-Providing (Selbstversorgung) und smart consumption und
- 1/3 Arbeit, die man wirklich, wirklich will.”
Noch deutlicher wird die Diskrepanz zwischen Bergmanns Theorie und der aktuellen Diskussion – wie gesagt, nur soweit ich das beurteilen vermag – liest man sich diesen Abschnitt durch:
Arbeit, die man wirklich, wirklich will
Dies ist der wichtigste Bestandteil der New Work. Folgende Philosophie steht hinter dem Begriff: Arbeit ist prinzipiell unendlich und geht weit über das hinaus, was das Lohnarbeitssystem anbieten kann und will. Bergmann geht es darum, dass jeder Mensch eine Arbeit finden kann und sollte in Übereinstimmung mit seinen eigenen Wünschen, Hoffnungen, Träumen und Begabungen. Da Bergmann einen revolutionären Prozess zur Überwindung des Lohnarbeitssystems ablehnt, kann die Veränderung nur nach und nach erfolgen durch Menschen, die sich an dem orientieren, was sie wirklich, wirklich wollen und sich so allmählich unabhängiger machen vom Lohnarbeitssystem durch Selbstversorgung (HTEP). In so genannten Zentren für Neue Arbeit sollen Menschen gemeinsam mit den Mentoren herausbekommen, welche Arbeit sie wirklich tun wollen. Dies herauszufinden ist keineswegs eine einfache Aufgabe, da wir Menschen uns sehr schwer damit tun. Bergmann spricht hier von der “Selbstunkenntnis”. Mit der Frage nach der Arbeit, die jemand wirklich, wirklich tun will, soll eine Suchbewegung eröffnet werden, die schließlich das eigene Leben so verändern kann, dass ein Mensch sich lebendig(er) fühlt.
Also eigentlich weg von der Lohnarbeit, und mehr in eine eher freiberuflich anmutende Tätigkeit, die man, wenn man wirklich tut, was den eigenen Talenten entspricht, als erfüllend empfindet.
Übrigens: Der Begriff Arbeit kommt im Lateinischen von “tripalium” – findet sich im französischen mit “travail” wieder – und steht damit für “Tortur, Qual, Folter“.
Wie kann das Verständnis der Neuen Arbeit, wie Bergmann es in seinem Konzept darstellt, in die heutige Welt der Unternehmen, KMU und Großkonzerne eingeführt werden?
Ist das überhaupt realisierbar, wenn das Ziel von New Work die “Überwindung des Lohnarbeitssystems” ist?
Aktuell noch eher selten, weshalb es ja auch so viele Berater dafür gibt. Aber gibt es für die tatsächliche Umsetzung von New Work in Unternehmen wirklich eine Lösung?
Werden Firmen das Konzept in Zukunft tatsächlich implementieren (können)? In den Unternehmen sollen bei Angestellten Selbständigkeit und unternehmerisches Denken gefördert werden, was jedoch nicht jeden Chefs oder Abteilungsleiters Sache ist. Hier spielen ja auch Machtstrukturen und verschieden große Egos eine Rolle.
Dazu ein kleines bisschen “Weisheit” eines aktuellen Dilbert Comic, in dem die Angestellten wie Unternehmer denken sollen, denn New Work ja letzten Endes auch das: unternehmerisch denken, sich selbst verwirklichen und sich dadurch finanziell unabhängig zu machen:
Aber was erzähle ich von New Work, wenn es hier doch um Hackathons geht?!
Ganz einfach: Weil Hackathons, Startup oder Innovation Weeks oder auch Codefests genau dieses Thema “Arbeit, die ich wirklich, wirklich machen will” zulassen und damit ungeahnte Energien freisetzen.
Erleben durfte ich genau diese unternehmerisch und kreativ anregende Atmosphäre diesen Mai in Berlin beim ersten HR Hackathon, den ich initiiert, mitorganisiert und -ausgetragen habe. Der Funken dieses “New Work Spirits” gepaart mit echter “Founding-Power”, wie Marcus Fischer die dort herrschende Stimmung in einem seiner Tweets während des Hackathons bezeichnet hatte, ist binnen weniger Minuten auf alle Teilnehmer übergesprungen.
Die Idee zu Events wie Hackathons stammt aus den Reihen der Softwareentwickler, die sich treffen, um gemeinsam Lösungen für bestimmte, technische Problemstellungen zu entwickeln.
Das macht ihnen Spaß, denn dort schreibt ihnen (endlich) niemand vor, mit welchen Technologien sie sich herumschlagen sollen, oder welches Produkt sie für welche (oftmals schwer realisierbaren) Kundenwünsche zusammenbauen sollen. Hier können sie sich tatsächlich auf der Tastatur austoben – und das tun sie sogar am Wochenende, bis in die Nacht hinein, um dann am nächsten Tag wieder um 8 Uhr morgens zum Weitermachen anzutreten.
Bei welchem Unternehmen passiert das heute in der IT-Abteilung?
Bei Hackathons wird nicht theoretisiert (jedenfalls nicht lange), hier wird eine Fragestellung angepackt, und die Antwort darauf in eine Programmiersprache übersetzt. Am Ende entstehen Prototypen, welche die Probleme lösen sollen. Jeder hat dabei eine Menge Spaß, die Umgebung ist produktiv, und es wird hart gearbeitet.
Genau aus diesen Gründen halte ich es für sinnvoll, Eventformate wie Hackathons, Startup Weeks oder Codefeste innerhalb eines Unternehmen für das Unternehmen zu organisieren und durchzuführen.
Wieso?
Hier die sieben guten Gründe, weshalb Unternehmen interne Hackathons organisieren und durchführen sollten – aus HR Perspektive, natürlich:
1. Das Modell New Work testen
Anhand von dieser Art von Event lässt sich in kurzer und für kurze Zeit das Arbeiten 4.0-Modell testen. Hackathons dauern normalerweise zwischen 2-5 Arbeitstage.
Schaut Euch während dieser Zeit genau an, was geschieht:
- Welche Energien entstehen?
- Welche neuen Projekte oder Teams bilden sich?
- Wie reagieren die Mitarbeiter auf die andere Arbeitsatmosphäre?
- Ist das Unternehmen für solche Arbeitsmodelle gemacht?
- Was fehlt eventuell bei der Umsetzung, und was könnte man besser machen?
Hier wird auf freiem, unvermintem Feld “getestet”.
Nur zu!
2. Internes Employer Branding – Mitarbeiterbindung
Es tut uns allen gut, unseren Arbeitsplatz mit neuen Augen zu sehen. Ein Hackathon oder eine Startup Week reißen Mitarbeiter aus dem Alltagstrott heraus, das Unternehmen wird mit völlig anderen Augen gesehen. Das inspiriert.
Alle arbeiten zusammen, und vielleicht stellen die Angestellten der unterschiedlichen Abteilungen fest, dass die “Leute aus dem Vertrieb” ja doch gar nicht so doof oder “eben einfach anders” sind. Hier entstehen vielleicht sogar neue Synergien, wenn es in der einen Abteilung Talente gibt, die sich auch in anderen Projekten einsetzen lassen?
Mitarbeiter werden befähigt (Stichwort “empowerment”), ihre Ideen zu verwirklichen, dafür Verantwortung zu übernehmen und ein eigenständiges Projekt zu leiten und zu bearbeiten.
Was meint Ihr, wie lange über ein solches Event sowohl innerhalb als auch außerhalb der vier Firmenwände gesprochen wird?
Das bringt mich direkt zum nächsten guten Grund:
3. Externes Employer Branding – Arbeitgeberattraktivität
Wie am Ende des vorherigen Punkts beschrieben, werden Aktionen wie Hackathons bei vielen Mitarbeitern in (meist) guter Erinnerung bleiben.
Arbeitnehmer als Arbeitgebermarke-Botschafter für externes Personalmarketing gesucht?
Gefunden!
Darüber hinaus eignet es sich damit auch als sehr gutes Mitarbeiterempfehlungsprogramm.
Schließlich werden “neuartige” Events wie Hackathons in Unternehmen heute sehr gerne von den Medien aufgegriffen. Die Formate sind zum einen höchst innovativ und zum anderen noch sehr selten. Das ist ideales “Pressefutter”, übrigens auch für die eigene Unternehmenskommunikation und PR.
Ergo: Hausgemachtes Employer Branding als Innovationstreiber mit Breitenwirkung für wenig Budget.
4. Innovationstreiber
Abgesehen von der Innovation, die Unternehmen alleine durch das Veranstalten solcher Events vorantreiben (s. Employer Branding extern), werden zudem in den Projektteams konkrete, innovative Produkte geschaffen.
Fragestellungen werden in neuem Licht gesehen, und man brainstormt und entwickelt schnell (Stichwort “rapid prototyping”) Problemlösungen mit ersten Prototypen, um Ideen und Produkte zu testen und auf ihre Marktfähigkeit zu prüfen.
Auch können Kosten für Research & Development gesenkt werden, denn das Problem wird intern und mit eigenen Ressourcen gelöst.
Weiterhin kann auf diese Weise auch schnell eine “Ideen-Pipeline” gefüllt werden, um so das Innovationsniveau möglichst hoch zu halten. Dies ist je nach Branche ein kritischer Wettbewerbsfaktor.
Schließlich zeigt ein solches Event, welche neuen Technologien vorrangig sind, und man diese ebenfalls in einem professionellen Umfeld testen.
5. Recruiting
Auch für das Thema “Candidate Experience” spannend: Ladet Kandidaten ein, an einem solchen internen Event teilzunehmen. So lernen sie die potenziellen neuen Kollegen, das Unternehmen und die Arbeitsweisen kennen – abgesehen davon, dass die Firma dann auch so richtig innovativ rüberkommt, sich also von ihrer Schokoladenseite zeigt!
Oder aber: Veranstaltet einen Hackathon gezielt, um Talente für Euer Unternehmen zu finden!
6. Onboarding
Ein Event dieser Art ist auch eine tolle Onboarding-Lösung für die neuen Mitarbeiter.
So lernt man in entspannter, aber produktiver Atmosphäre alle neuen Kollegen kennen.
Dieser Eindruck bleibt – und trägt dann wieder dem internen und externen Employer Branding zu (siehe Punkte 2 und 3).
7. Jede Menge (Recruiting) Content
Was glaubt Ihr, wie viele Bilder, Texte, Videos, Tweets, … während einer Startup Week oder eines Hackathons entstehen? Wie viele davon auf Facebook und in anderen Netzwerken oder Communities landen oder über WhatsApp an Family und Friends verteilt werden?
Legt vor dem Event einen eigenen Hashtag fest, und verbreitet das Material regelmäßig auf den Corporate Social Media Kanälen. Mit Hilfe von Sharing und Reposting Tools wie Buffer oder dlvr.it teilt Ihr die besten Inhalte immer wieder zu verschiedenen Zeitpunkten.
Das generiert einen mächtigen Social Media Buzz, den alle von außen mitverfolgen können – übrigens auch Kunden der Firma oder Leads und Interessenten… oder wieder neue Kandidaten für die Talent Pipeline?
Aus den Bildern und Videos lassen sich des Weiteren zum Beispiel Recruitingfilme und -unterlagen zusammenstellen, und die PR-Abteilung hat ebenfalls Material, welches sie über Wochen “ausschlachten” kann.
Bis es dann beim nächsten internen Hackathon oder Codefest neuen Social Media Stoff gibt.
Ein wahres Paradies für Corporate Publisher, Content und Personal-Marketer!
Bleiben zum Schluss eigentlich nur noch Fragen wie diese:
Wie organisiere ich einen Hackathon, und was brauche ich dafür?
Am besten ganz schnell mit mir
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