Es ist wirklich interessant, dass gerade aus Großbritannien, einem Land, in dem der Einsatz von Social Media als Recruiting-, Employer Branding- und Personalmarketing-Werkzeug stärker fortgeschritten ist als in deutschen Gefilden, vermehrt kritische Stimmen zu diesen Kanälen laut werden. Vor knapp zwei Wochen habe ich Alistair Cartwright’s Artikel “Darüber, dass Social Medie den Recruitingprozess NICHT verändert hat“, beschrieben und interpretiert. Ende vergangener Woche habe ich den Gastbeitrag von Felix Wetzel, Group Marketing Manager bei der britischen Jobbörse Jobsite, “Social Media is useless for talent acquisition” entdeckt.

Darin merkt Felix an, dass es vielen Unternehmen wichtiger ist, eine freie Stelle schnell zu besetzen (um die Umsätze und Produktion zu sichern) als die Kosten pro Einstellung gering zu halten. Social Media ist demnach ein Zeitfresser im Recruitingprozess. Dem kann man nicht wiedersprechen. Also wird lieber schnell der “passende”, teure Kandidat eingestellt, der sofort operativ ist. Aber leider wird oftmals auch hier fehlinvestiert: Laut einer Jobsite Studie wurden im Jahre 2006 (ist ja schon ein Weilchen her…) 2,5 Milliarden GBP von Unternehmen aus dem Fenster geworfen, weil der neue Mitarbeiter nicht in die Unternehmenskultur gepasst hat. Zwei Mal umsonst jede Menge Budget verplempert. Bitter.

Felix regt an, Social Media zu nutzen, um herauszufinden, ob der zukünftige Angestellte zur Firma passt. Also ein “Cultural- und Background-Check”, der in beide Richtungen gehen kann (Unternehmen überprüft den Bewerber und umgekehrt). Dass diese Checks im gegenseitigen Einvernehmen und mit genügend klarem Menschenverstand (z.B. auf Bewerberseite nicht einer einzigen schlechten Bewertung eines Arbeitgebers auf einem Portal den kompletten Glauben schenken; da hat sich bestimmt ein Arbeitnehmer seinen Frust vom Leib geschrieben) durchgeführt werden sollten, versteht sich von selbst.

Ich halte es für eine gute Idee, Soziale Netzwerke und weitere Web 2.0 Kommunikationsformen zu nutzen, um sich im Auswahlprozess gegenseitig zu “beschnuppern” und kennen zu lernen. Das ist eine der sinnvollen Einsatzmöglichkeiten dieser Plattformen. Eine weitere besteht darin, Personalmarketing und Bewerberkommunikation zu betreiben. Dies benötigt Zeit.

Jedoch wird dank dieser neuen (und langwierigen) Form der Kandidatenansprache – wenn es gut und professionell gemacht wird – auch das umgesetzt, was Felix am Ende seines Posts fordert: Dass der gesuchte Bewerber im Mittelpunkt eines jeden Personalauswahlprozesses stehen muss. Bingo!

Felix ist ursprünglich Deutscher und ist mir schon seit einigen Jahren als Ansprechpartner für die Jobsite Marketingbelange bekannt. Es ist verständlich, dass er die nach wie vor wichtige Position von Jobbörsen bei der Mitarbeiterbeschaffung unterstreicht. Das kann und möchte ich ihm nicht abstreiten, da ich diese Instrumente für bestimmte Stellenausschreibungen und Rekrutierungsproblematiken weiterhin empfehle und empfehlen werde.