Jobbörsen im Aufbruch, Umbruch oder Zusammenbruch?
Der Fall Monster Worldwide
Es dürfte wirklich niemandem entgangen sein, was sich in den letzten Wochen am globalen Jobbörsenmarkt abgespielt hat: Die Jobbörse Monster, nachdem sie vor knapp zehn Jahren von Randstad übernommen worden ist, um vor circa einem Jahr mit Careerbuilder unter dem neuen Mehrheitseigner Apollo Global Management zu fusionieren, hat Ende Juni 2025 Insolvenz angemeldket und wurde im Juli in Häppchen verkauft.
Zum 31. Juli wurden alle nicht-US Monster Domains abgeschaltet, und seit Anfang August werden Benutzer:innen auf eine Übergangsseite geleitet, die vom neuen Monster-Inhaber in den USA, BOLD, betrieben wird. Dazu in einem nächsten Beitrag mehr.
Wie es weitergeht, weiß im Moment keiner so richtig, und wir fühlen uns den vielen Mitarbeitenden verbunden, die so plötzlich auf der Straße stehen, und von der Abschaltung der Website Domains erst dann erfahren haben, als alle Monster Kunden informiert worden sind.
In Frankreich kommt zudem der ursprünglich von Randstad zugesicherte Sozialplan nicht zustande. Randstad begründet dies nach Aussagen der Monster Frankreich Mitarbeitenden damit, dass sie seit der mehrheitlichen Übernahme des Monster Businesses durch Apollo Management (51 Prozent) für diesen Anspruch nicht mehr zuständig wären bzw. hierauf keinen Einfluss hätten.
Nun ja.
Aus der Branche werden seitdem Stimmen laut, Randstad als Personaldienstleister zu boykottieren und jedwede Zusammenarbeit einzustellen.
Das Monster Aus: ein Warnsignal für die gesamte Jobportal-Branche?
Natürlich kommen jetzt wieder die üblichen Prediger:innen aus ihren Löchern gekrochen und prophezeien das allgemeine Ende ALLER Jobportale in allernächster Zukunft – so, wie das Jobbörsen Kritiker bereits seit mehr als zehn Jahren tun… Aber Jobbörsen sind immer noch da!
Dennoch ist das Monster Debakel ein Zeichen für die gesamte Branche: Es ist Zeit, etwas zu tun.
Alle sprechen von KI, aber die bisherigen Ansätze erscheinen mehr als dürftig. Andere muten wiederum sehr fragwürdig an – aber dazu ein anderes Mal mehr.
Für mich waren die Nachrichten zu Monster Worldwide Anlass, mich mit der neuen Job Board Doktorin Julie Sowash, der Nachfolgerin von Jeff Chasey-Dickins, zu unterhalten und ihr die Fragen zu stellen, deren Antworten Jobbörsen Betreiber:innen eventuell gar nicht hören möchten.
Aber diese Antworten sind wichtig, genauso wie die Fragen, die Du Dir als Jobbörsen Eigentümer:in stellen musst.
Los geht’s:
Interview mit Julie Sowash, der neuen Job Board Doktorin
Eva:
Hey Julie, wir erleben gerade wirklich wilde Zeiten in der Job-Board-Welt. Bevor wir darauf eingehen, lass uns mit DIR anfangen: Wer bist du, was hast du bisher gemacht und welche Karriereziele hattest du bis jetzt?
Julie:
Vor ungefähr 15–16 Jahren bekam ich vom Bundesstaat Indiana – Chad (HR Podcaster bei Chad & Cheese; Anm. d. Red.) und ich kommen beide von dort – den Auftrag, ein Förderprogramm zu leiten, das Beschäftigungshürden für Menschen mit Behinderungen abbauen sollte. Mir wurde schnell klar, dass wir direkt mit Unternehmen arbeiten müssen, um ihnen klar zu machen, welchen Talentwert dieser Zielgruppe wir hier liefern. Wir wollten weg von den in der Community üblichen philanthropischen und karitativen Gesprächen, hin zu echtem Business Value.
So entstand meine Leidenschaft dafür, Barrieren für Menschen abzubauen, die arbeiten wollen.
In den USA waren Unternehmen bis vor wenigen Monaten sogar gesetzlich verpflichtet, Menschen aus unterrepräsentierten Gruppen einzustellen: People of Color, Frauen, Kriegsveteranen, Menschen mit Behinderungen, LGBTQ-Personen.
Ein paar Jahre später kam ein Non-Profit auf mich zu, die eine Tochterfirma gründen wollte, um Unternehmen direkt dabei zu unterstützen – und ihnen dafür ein Honorar zu berechnen -, Menschen mit Behinderungen in ihre Belegschaften zu integrieren. Daraus haben wir in den folgenden 13 Jahren die Beratungsfirma “Disability Solutions” aufgebaut.
Im Rahmen dieses Business brauchten wir etwas, das Talent Acquisition Verantwortliche sofort und grundlegend verstehen: Wenn du in einer Community rekrutierst, der du selbst nicht angehörst und die du nicht wirklich kennst, brauchst du ein leicht verständliches Produkt. Dieses Produkt war eine Jobbörse, und das hat unser Beratungs- und Serviceangebot ergänzt.
Heute ist Disability Solutions die größte Jobbörse für Menschen mit Behinderungen weltweit. Wir listen jederzeit zwei bis drei Millionen Unique Jobs.
So bin ich in die TA-Tech- und Jobboard-Branche hineingewachsen. Ich liebe es, Recruiting-Funnels zu bauen, die fair sind und echten Impact haben. Anbieter, die solche TA-Technologie liefern, sind entscheidend, um unterrepräsentierte Communities in Arbeit zu bringen.
Eva:
Vor einem Jahr hast du zusammen mit deinem Mann Chad das Unternehmen Job Board Doctor von Jeff Dickey-Chasins übernommen und die Catch22 Group gegründet. In diesem Jahr bist du als CEO von Disability Solutions zurückgetreten. Was hat dich zu diesem Schritt von der DE&I-Kreuzritterin zur Job-Board-Beraterin motiviert – und was willst du am bisherigen Geschäfts- und Beratungsansatz des Job Board Doctor verändern?
Julie:
Jeff hatte angekündigt, in den Ruhestand zu gehen. Da ich bereits ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut habe und weiß, wie man eine Jobbörse betreibt, war ich definitiv daran interessiert, meine Arbeit in diesem Bereich auszuweiten. Viele hielten mich vor allem für die “Disability Lady“. Durch die Übernahme von Jeffs Consulting-Geschäft konnte ich mich über dieses Etikett hinaus entwickeln.
Wir haben das Job Board Doctor-Business im Juli 2024 gekauft, und ich habe Disability Solutions im Januar dieses Jahres verlassen. Meine Nachfolge hatte ich bereits ausgewählt, und das Unternehmen stand finanziell gut da.
Natürlich bleibe ich als Mitgründerin mit Disability Solutions verbunden: Ich erstelle weiterhin Inhalte, berate nach wie vor und halte den Kontakt zu meiner Community. So kann ich beobachten, wie das Unternehmen weiterwächst, während ich mich jetzt voll auf unser gemeinsames Business – die Catch22 Group – konzentriere, zu der auch die Job Board Doctor-Beratung gehört.
Was den Beratungsansatz angeht, setzen wir stärker auf langfristige Engagements. Jeff bot vor allem Ad-hoc-Beratungen an; das werden wir natürlich auch weiterhin tun, aber mir macht es mehr Spaß, Jobörsen Eigentümer:innen über längere Zeit zu begleiten, ihr Team zu schulen, ihr Wachstum mitzuerleben und zuzusehen, wie sie echten Impact in ihrer Branche erzielen.
Außerdem habe ich die Content-Strategie etwas verändert: Ich möchte mehr anecken, Staub aufwirbeln und offen aussprechen, was in unserer Branche wirklich passiert.
Eva:
Was sind die drei größten Probleme, mit denen Jobbörsen heute kämpfen – und die sie eigentlich schon gestern hätten angehen müssen?
Julie:
- 1. Künstliche Intelligenz
Du wirst es wahrscheinlich ungern hören, aber es ist definitiv KI. Sie ist da, und sie rollt unaufhaltsam auf uns zu. Wir müssen herausfinden, wie wir damit wirklich innovativ umgehen. Gleichzeitig gilt es, im Meer der KI-generierten Inhalte überhaupt noch aufzufallen. Klar, KI kann deine Texte pimpen und dich unterstützen, aber am Ende muss Dein Content trotzdem authentisch und substanziell sein.
- 2. Die weltweite Wirtschaftslage
Rezessionen, Flauten, geopolitische Unsicherheiten… Als Jobbörse brauchst du die richtigen Partner, um jede Art von Krise heil zu überstehen.
- 3. Nicht diversifizierte Einnahmequellen
Wenn du von nur ein oder zwei großen Kunden, Partnern oder Kanälen abhängst, musst du JETZT umsteuern. Eigentlich hättest du schon vor einem Jahr – besser noch vor zwei – damit anfangen sollen. Hast du’s immer noch nicht gemacht, ist es jetzt oder nie!
Eva:
CPC, CPA, CPH, “Cost per Qualified Candidate”. Lass uns Klartext sprechen: In der Praxis, wie stärkt jedes Modell die Marge eines Jobboards, und wo frisst es sie fast unbemerkt auf?
Julie:
Starten wir direkt beim “Qualified Candidate“-Modell: Was bedeutet “qualifiziert” überhaupt? Dieses ganze Produkt “Pay per Qualified Candidate” frustriert mich. Als jemand, der selbst ein Jobboard besitzt, beratend tätig ist und genau weiß, was es wirklich braucht, um als Bewerber:in qualifiziert zu sein oder eingestellt zu werden, sehe ich, wie schwer es ist, diese Kennzahl sauber zu definieren.
Wie kann man von einem Top-of-Funnel-Jobboard erwarten, für so eine Metrik verantwortlich zu sein? Das ist unrealistisch. Und am Rande: Ich erkenne beim “Cost per Qualified Applicant” keine besseren Margen als bei einem standardisierten “Cost per Applicant”.
Ganz ehrlich: CPA, CPH, “Qualified Candidate”: All diese Umsatzmodelle sind hausgemachte Probleme. Irgendwann hat sich jemand in der Jobbörsen-Welt gefragt: “Wie machen wir das komplizierter und teurer?” Zack, da waren die “qualifizierten Bewerber”. Wir sind aus gutem Grund nur der oberste Teil des Funnels. Wie ein Kandidat durch den Rest des Funnels läuft, ist eine völlig andere Geschichte und liegt weit außerhalb unseres Einflussbereichs.
Bei all diesen Modellen musst du wirklich kundenindividuell entscheiden. Ein reines Abo-Modell? Begrenzt deine Kundschaft. Ein reines Programmatic-Modell? Ebenfalls einschränkend. Sich potenziellen Kunden zu versperren, ist unlogisch. Du musst verstehen, was jede Lösung bedeutet, und wie sie dir Geld einbringt.
Außerdem glauben noch immer zu viele Jobbörsen-Besitzer:innen, dass Kandidat:innen “von ganz alleine” kommen, sobald man eine Stelle postet. Du musst in Traffic investieren, in Marketing, in Social Media. Wir sind nicht mehr in den 1990ern, auch wenn das aus Umsatzsicht manchmal schön wäre.
Und wenn den Betreiber:innen die Leidenschaft für ihr Produkt abhandenkommt, verkümmert das Business. Ständige Weiterentwicklung ist Pflicht. Ob dies durch KI, besseren Content oder mehr Investment geschieht, spielt keine Rolle.
Eva:
Schauen wir uns an, was in der Branche gerade schiefläuft: Monster und CareerBuilder melden Insolvenz an und wurden verkauft (und wie das vor allem außerhalb der USA abläuft), Job.com steht zum Verkauf, Indeed & Glassdoor entlassen Leute und “fusionieren” irgendwie. Nenn die zwei Warnsignale, die du auf dem Dashboard jedes etablierten Jobboards überwachen würdest, um nicht dasselbe Schicksal zu erleiden – und erklär uns, warum.
Julie:
- 1. Erstes Warnsignal: Leadership
Das taucht zwar nicht im Business Dashboard auf, ist aber entscheidend: Wie viel Aufmerksamkeit, Fürsorge und Zielsetzung bekommt euer Produkt von ganz oben?
Ich habe mit Mitarbeitenden von CareerBuilder und Monster gesprochen. Sie können den Tag benennen, an dem alles kippte: Es war der Moment, als das Leadership – sprich Randstad – das Interesse am Produkt verlor. Ab da begann die Plattform zu verfallen. Und wenn Apollo dazu stößt und genau das macht, was Apollo eben macht, dann… aber gut, lassen wir das.
Mein Rat an Jobbörsen Betreiber:innen: Verlierst du die Leidenschaft für dein Board und seinen Content, dann mach den Laden dicht. Dann werde ich nicht mit dir arbeiten. Ich werde dir nicht dabei helfen, noch schlimmer zu scheitern. Nein, ich werde dir sagen, dass es Zeit ist, aufzuhören.
- 2. Zweites Warnsignal: Business Reife
Das zweite Warnsignal ist die geschäftliche Reife. Ich meine, rein strategisch gefragt: Begreifen Eigentümer:innen und Führungskräfte wirklich, was ihr ROI ist, wie ihre Margen im Detail aussehen und woran sie erkennen, wie man diese Margen diversifiziert, hält und dann ausbaut?
Natürlich müssen wir Kennzahlen wie Umsatz und Traffic betrachten. Sie sind wichtig. Aber sie sind auch zyklisch und stark von Marktmechanismen abhängig, die wir nicht in der Hand haben. Es gibt dazu unzählige technische Stellschrauben in jeder Umsatz-und-Traffic-Diskussion, und all diese sind immens wichtig. Aber die entscheidende Frage lautet:
Wie führen wir diesen Teil unseres Geschäfts? Tun wir das proaktiv? Pflegen wir dauerhafte Partnerschaften und Innovation? Ist Leadership noch voll dabei?
Wenn nicht , oder wenn Du als Eigentümer:in selbst nicht mehr wirklich am Ausbau interessiert bist, wird es auf Dauer nicht funktionieren.
Eva:
Danke, Julie!
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