16 Buchstaben, die Ökonomen in Aufruhr versetzen: Fachkräftemangel. In jeder Branche ist er mittlerweile zu spüren und nimmt rasant zu. Baubranche, Gesundheitsversorgung, Dienstleistungssektor – sie alle suchen händeringend nach geeignetem Personal, meist ohne Erfolg. Nie waren Unsicherheit, Unentschlossenheit und der Gedanke der inneren Kündigung bei vielen Arbeitnehmern größer. Doch es scheint einen Heilsbringer zu geben: die 4-Tage-Woche. Kann sie den Fachkräftemangel wirklich beheben? Experten finden dafür überraschend klare Antworten.

IG Metall will weniger Arbeitszeit: Das bringt die Vier-Tage-Woche

Gleicher Lohn und weniger Arbeit: Die IG Metall hat in den letzten Wochen eine neue Diskussion um die Arbeitszeitgestaltung entfacht. Geht es nach dem Willen der Mitglieder, sollen sie schon bald weniger Wochenstunden arbeiten müssen, dafür aber das gleiche Gehalt erhalten. In den Augen der Metaller soll dieses Konzept helfen, den Fachkräftemangel zu überwinden und die Metallbranche attraktiver für (junge) Arbeitnehmende zu machen.

Längst reicht es nicht mehr aus, Bewerber über eine unternehmenseigene Website oder eine Jobsuchmaschine auf sich aufmerksam zu machen. Verlockende Angebote wie Bonuszahlungen, Job-Fahrrad oder flexible Arbeitszeiten bringen ebenfalls nicht den gewünschten Bewerberandrang. Allein in der Metallbranche fehlen mehr als 100.000 Fachkräfte in den Kernbereichen.

Das Recruiting über Personalvermittlungen wie beispielsweise Randstad, ist eine weitere Möglichkeit, Kontakt zu geeigneten Bewerbern zu knüpfen. Sie verfügen über eine ausgezeichnete Marktkenntnis, Expertise im Rekrutieren und haben oft einen eigenen großen Kandidatenpool, was eine schnellere Besetzung offener Stellen ermöglicht. Durch die ersehnte Hilfe der Personalvermittler wird auch die eigene HR-Abteilung im Unternehmen entlastet und kann effizienter arbeiten.

Der zunehmende Fachkräftemangel in manchen Regionen und Branchen geht aber auch am gut ausgebauten Netzwerk der Personalvermittler nicht spurlos vorbei. Um den Wünschen der beauftragenden Unternehmen künftig nachkommen zu können, müssen Personalvermittlungen neue Wege auf der Suche nach Talenten gehen. Dies gelingt vor allem durch die digitale Transformation, denn Bewerber-Prozesse finden immer häufiger online statt.

Um künftig keine verwaisten Büros, Baustellen und Produktionsstraßen zu erleben, sollten Unternehmen aktiver werden und neue Wege gehen. Die IG Metall will die Wochenarbeitszeit zunächst von 35 auf 32 Stunden in der Stahlbranche senken und das Modell der Vier-Tage-Woche etablieren. Kann dieser Vorschlag wirklich ein wirksames Mittel gegen den Fachkräftemangel sein?

 

Vorteile der Vier-Tage-Woche

Die Idee der Vier-Tage-Woche löst viele Diskussionen aus und ist nicht überall praktikabel. Doch es gibt auch einige Unternehmen, die sich mit dem neuen Arbeitszeitmodell vertraut machen und es erfolgreich integrieren. Vier Tage arbeiten und drei Tage frei – das steigert häufig die Motivation der Mitarbeitenden, denn sie freuen sich auf ihre Erholungszeit und wissen den einen Tag mehr äußerst zu schätzen.

Ein weiterer Vorteil der verkürzten Arbeitszeit: Es bleibt mehr Zeit für die angenehmen Dinge im Leben. Treffen mit Freunden und der Familie oder ein Kurzurlaub geben so viel Mehrwert und sind mit einer Vier-Tage-Woche leichter möglich.

Unternehmen, die eine reduzierte und flexible Arbeitszeit-Lösung anbieten, machen sich vor allem für junge Arbeitnehmende deutlich interessanter. Vor allem die „Generation Z“ wünscht sich im Gegensatz zu ihren Eltern und Großeltern mehr Freizeit und weniger Arbeitsstress. Wer künftig wettbewerbsfähig sein und eine volle Mitarbeitendenliste haben möchte, kommt nicht umhin, sich diesen Ansprüchen anzupassen.

 

Auch Handwerksunternehmen probieren Vier-Tage-Woche

Vor allem das Handwerk ächzt unter einem immer stärker werdenden Fachkräftemangel. Berufe wie Schreiner, Fliesenleger oder Installateur sind aufgrund der Arbeitszeiten unattraktiver geworden. Auch hier kann die Vier-Tage-Woche funktionieren, wie bereits erste Unternehmen erfolgreich gezeigt haben. Handwerker arbeiten vier Tage hochkonzentriert und haben dafür einen zusätzlichen Tag frei. Auch Unternehmer profitieren von diesem Konzept, denn so entfallen beispielsweise zusätzliche Anfahrtszeiten. Können Handwerker an einem oder mehreren Tagen länger auf einer Baustelle verbringen, schaffen sie folglich mehr. Entfallen dadurch weitere Anfahrten, können Angebote für Kunden wettbewerbsfähiger gestaltet werden.

Pixabay.com © Alexas_Fotos CCO Public Domain Mehr Freizeit und weniger Arbeit: Immer mehr Arbeitnehmende wünschen sich flexible Arbeitszeitmodelle wie die Vier-Tage-Woche.

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Mehr Freizeit und weniger Arbeit: Immer mehr Arbeitnehmende wünschen sich flexible Arbeitszeitmodelle wie die Vier-Tage-Woche.

Nachteile der Vier-Tage-Woche

Die Verkürzung der Arbeitszeit bei gleicher Lohnzahlung bedeutet, , dass Unternehmen mehr zahlen müssen und dennoch nicht alle Aufgaben erfüllt werden könnten. Auf langfristige Sicht ein betriebswirtschaftliches Fiasko, wie Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., äußert. Wird die Vier-Tage-Woche allerdings mit einer längeren Arbeitszeit pro Tag eingeführt, könnte dies wirklich eine Chance zur Steigerung der Attraktivität für viele Branchen bedeuten.

Doch das deutsche Arbeitszeitgesetz lässt bei der Gestaltung nur wenig Spielraum. Wird es nicht modernisiert und an die Wünsche des Arbeitsmarktes angepasst, würde auch eine Vier-Tage-Woche kaum umsetzbar sein. Bisher gibt es eine tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden und eine verbundene Mindestruhe von 11 Stunden.

Gerade in der Baubranche wäre die gute Idee der Vier-Tage-Woche damit kaum umsetzbar. Auch, wenn sich viele Mitarbeitende und Unternehmen vorstellen könnten, täglich mehr zu arbeiten, könnte das geltende Arbeitszeitgesetz einen Strich durch die Rechnung machen.

Pixabay.com © RosZie CCO Public Domain Fachkräfte händeringend gesucht: Um neue Mitarbeitende zu begeistern, müssen viele Unternehmen umdenken und neue Wege bei der Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung gehen.

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Fachkräfte händeringend gesucht: Um neue Mitarbeitende zu begeistern, müssen viele Unternehmen umdenken und neue Wege bei der Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung gehen.

Bundesverband der Deutschen Industrie will Arbeitszeit sogar erhöhen

Im Gegensatz zur Forderung der IG Metall nach einer Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden, wollen andere Experten sogar das Gegenteil. Siegfried Russwurm vom Bundesverbands der Deutschen Industrie fordert sogar eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 42 Stunden. Nur so ist es seiner Meinung nach möglich, deutsche Unternehmen auch künftig wettbewerbsfähig zu halten und dem Fachkräftemangel entschieden entgegenzuwirken.

Dass die Leistung auch bei einer Vier-Tage-Woche zunehmen kann und eine Erhöhung der Arbeitszeit nicht notwendig sein muss, zeigt das Beispiel Island. 2.500 Arbeitskräfte nahmen an einem Experiment teil, bei dem die Wochenarbeitszeit statt 40 nur 35 oder 36 Stunden betrug. Das Ergebnis war auch für viele Experten überraschend, denn die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter stieg. Seither haben zahlreiche arbeitnehmende Isländer ein Recht auf eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit.

Andere Länder folgen diesem Beispiel und probieren die verkürzten Arbeitszeitmodelle. Auch in Großbritannien nahmen ca. 2.900 Mitarbeitende und 61 Unternehmen an dem Versuch teil. Danach entschieden sich 56 Unternehmen, das Vier-Tage-Woche-Modell auch künftig beizubehalten. In Deutschland haben die Modellversuche noch wenig Zuspruch, doch das dürfte sich bei steigendem Fachkräftemangel bald ändern. Eine Forsa-Umfrage zeigt, dass mehr als 70 Prozent aller Befragten eine Verkürzung der Arbeitszeit und ein Modell wie die Vier-Tage-Woche befürworten.