Achtsamkeit: einfach mal alles sein lassen
Seit einem Jahr übe ich mich täglich in der Meditationsform der Achtsamkeit.
Gerne umschreibe ich diese Art zu meditieren damit, “einfach mal alles sein zu lassen.”
Das bedeutet für mich im Sinne der Achtsamkeit:
- bewusst nichts zu tun
- alles um sich herum und in einem selbst im Hier und Jetzt wahrzunehmen, ohne darauf aktiv Einfluss zu nehmen
- urteilsfrei zu bleiben, keine Wertung vorzunehmen
- den jetzigen Zustand / Moment anzunehmen
- einen bestimmten Zustand / Moment nicht festzuhalten, sondern ihn loszulassen
- eine Beobachterposition einzunehmen
- mit Neugierde entdecken, was sich spontan zeigt
- innezuhalten, Abstand zu gewinnen, also das, was man in der Achtsamkeit als “Impulsdistanz” bezeichnet
- Geduld zu erlernen
Ein wichtiger Punkt in der Meditationspraxis ist es, dem, was sich spontan zeigt, in die Augen zu schauen, es konkret zu benennen, zu beobachten, anzunehmen, um es dann weiterziehen zu lassen – Loslassen.
Hinsehen statt Wegsehen.
Das ist eigentlich ganz einfach. Wenn es nicht so schwer wäre.
Setzen Sie sich mal für 5 Minuten in einen mehr oder minder stillen Raum, schließen Sie die Augen, und beobachten Sie ausschließlich, wie der Atem in Ihre Nase einströmt, die Bauchdecke sich hebt und senkt und dann wieder aus der Nase ausströmt.
Ein Kinderspiel! Nein?
Genau, jetzt stürmen mit ziemlicher Sicherheit eine Menge Bilder, Gedanken, Erinnerungen, Empfindungen, Emotionen und Geräusche auf Sie ein.
Ja, und das ist Achtsamkeit: dieses Riesenchaos sich vor dem inneren, betrachtenden Auge entfalten zu lassen, zu beobachten, OHNE irgendetwas zu tun als die Aufmerksamkeit immer wieder zum Beispiel auf die Art der Atmung zu lenken.
Achtsamkeit ist das, was Jon Kabat Zinn, einer der Vordenker und Mitgestalter der Achtsamkeit, in seinem Bestseller mit “Full Catastrophe Living” meint, welcher im deutschen eher nüchtern mit “Gesund durch Meditation” übersetzt wurde: Mit der Achtsamkeit können wir lernen, das menschliche und weltliche Chaos in seinem gesamten Ausmaß zu erleben und zu überleben.
Langjährige Achtsamkeitspraktiker raten, und Forschungsergebnisse scheinen dies zu bestätigen, dass eine tägliche Meditationspraxis von mindestens 20-25 Minuten notwendig ist, um die positiven Effekte der “Mindfulness” zu erfahren: zum Beispiel mehr Gelassenheit im eigenen Leben zu erleben.
In meinem Beitrag möchte ich die Methode des Hinsehens statt Wegsehens auf das anwenden, was oftmals als “Trend”, “Hype” oder als “durchs Dorf getriebene Sau” am Markt bezeichnet wird. Ich möchte Ihnen damit ein Werkzeug an die Hand geben, um Ihr Bewusstsein zu schärfen, wie Sie mit Trends oder innovativen Konzepten am HR Markt umgehen können.
Anhand von zwei Beispielen skizziere ich das kurz zum Abschluss.
Viel Freude beim Lesen und Hinsehen:
Zuallererst: Hinsehen statt Wegsehen – was sind eigentlich HR Trends?
Immer wieder, vor allem zu Jahresbeginn oder nach einschlägigen Messen, werden die “Top HR Trends” des Jahres diskutiert.
Damit wird dann sozusagen die “Roadmap” für HR für das Jahr XYZ erstellt.
Personalverantwortlichen wird somit eine Art “Prioritätenliste” präsentiert, mit der sie sich dann im Laufe des Jahres auseinandersetzen können, sollen oder dies dringend tun müssten.
Sehen Sie nun gut hin und lassen Sie die verschiedenen Punkte auf sich wirken.
Verfallen Sie nicht in Aktionismus. Aber auch nicht ins Gegenteil, in die Starre.
Das eine oder andere Thema weckt eventuell bestimmte Gedanken oder Reaktionen. Registrieren Sie das.
Möglicherweise wird “da draußen” ein HR Trend gehandelt, der für Ihr Unternehmen noch gar nicht dran ist. Vielleicht haben Sie aber auch so ein “ungutes Gefühl”, dass man da mal was machen sollte. Eventuell stellen Sie fest, dass Sie von bestimmten Themen gar keine Ahnung haben und verwerfen diese als “irgendwelche vergänglichen Hypes“, weil Ihnen die Zeit oder auch die Lust fehlt, sich näher damit zu beschäftigen.
All das ist möglich, weil es jetzt in diesem Augenblick genau so ist.
Bewerten Sie weder Ihre Gedanken noch Ihre Art, Dinge zu interpretieren oder Urteile zu fällen.
Das ist menschlich, und es ist einfach nur wichtig, sich dies bewusst zu machen.
Nehmen Sie all das gedanklich mit, notieren Sie (oder auch nicht) Ihre Einfälle, Ideen, Bedenken, Barrieren, alles, was sich Ihnen zeigt. Sehen Sie hin.
Lassen Sie schließlich alles los und konzentrieren Sie sich auf Anderes.
Mit der Zeit wird sich für Sie herauskristallisieren, was zu tun ist.
Ja, Geduld ist ebenfalls ein Eckpfeiler der Achtsamkeit 😉
Zwei Trends unter der “achtsamen Lupe”
Wir alle bewerten: ständig, dauernd, unablässig.
Bewusst NICHT zu urteilen oder zu bewerten ist sehr anstrengend. Versuchen Sie es.
So sind wir denn auch schnell dabei, einige der modernen “HR Trends” als kurzlebige “Hypes” abzutun, um uns damit wahrscheinlich ein gutes Gewissen zu geben, uns nicht näher mit einem Thema auseinandersetzen zu wollen.
Lassen Sie uns einige der gängigen HR Trends, Hypes oder Themen der letzten Zeit etwas näher ansehen:
1. Employer Branding
Fachkräftemangel, “War for Talent“, Bewerbermarkt statt Arbeitgebermarkt, Wettbewerb, Sie kennen das alles.
Um sich vom Wettbewerb abzuheben, empfehlen Experten, eine Arbeitgebermarke zu erarbeiten.
Es werden die Stärken und Schwächen des Unternehmens beschrieben, Alleinstellungsmerkmale gefunden, Bilder und Videos gemacht, Broschüren erstellt, ein knackiger Slogan entwickelt und eine geschärfte “Employee Value Proposition” formuliert.
Das ist schön. Das ist gut, wenn alle Mitarbeiter mit an Bord sind, das Image authentisch ist und auch so rüberkommt.
Vielleicht käme das Arbeitgeberimage aber auch ganz natürlich rüber ohne großen monetären Aufwand, zum Beispiel über persönlichen Austausch, netzwerken und einem wohlwollenden Umgang miteinander?
2. Google for Jobs
Google for Jobs ist da.
Zwar noch nicht hier, aber in den Startlöchern irgendwo und bestimmt auch bald in unseren Breiten.
Natürlich kann ich als Jobbörsen Betreiber mit voller Kraft sämtliche Augen zudrücken und mir sagen, dass die doch von HR keine Ahnung haben und sich am Jobportalmarkt erst noch beweisen müssen.
Ich kann allerdings auch genau hinsehen, wie Google in den USA, UK und in anderen Ländern vorgeht.
Welche Ergebnisse erzielt Google dort? Welche sind die Unterschiede zwischen dem einen und dem anderen Land, wenn es welche gibt?
Ich kann mich informieren (lassen), wie Google tickt oder mich aufgrund meines eigenen Wissensstands oder dank meiner Intuition damit beschäftigen, was kommen kann.
Erst dann kann ich eine überlegte Entscheidung treffen, wie und ob ich in welcher Art vorgehe.
Fazit
Egal, was jetzt ist: Sehen Sie hin anstatt wegzusehen. Nehmen Sie es wahr.
Es gibt viel zu sehen.
Unsere spontane menschliche Wahrnehmung blendet sage und schreibe 98 Prozent der auf uns eindringenden Reize aus.
Wenn wir uns schulen, genauer hinzusehen anstatt wegzusehen, werden wir viel mehr wahrnehmen (manchmal auch mehr als uns lieb und recht ist, aber das ist so) und können lernen, damit wohlwollend und annehmend umzugehen und zu gegebener Zeit möglichst angemessen zu reagieren.
Versuchen Sie es: Nehmen Sie sich die Zeit und lassen Sie einfach mal alles sein!
P.S.:
Ach so, Achtsamkeit liegt seit einiger Zeit ja auch voll im Trend – sehen Sie genau hin, inwieweit dieser Trend für Sie sinnvoll und -stiftend sein kann oder nicht.
Viel Spaß!