Scrum Master, Kanban Boards, agile HR – alles klar?
Bei den vielen Einflüssen, Trends und Themen, die auf Unternehmen einprasseln seit Aufkommen des Internet und den damit einhergehenden schnelllebigen Veränderungen in Organisation, globalem Wettbewerb und Effizienz, kommt jeder irgendwann aus der Puste.
Welche Trends sind wirklich wichtig, und welche Rolle wird HR zukünftig in Unternehmen einnehmen, wenn einige Berater und Kenner der Branche bereits den “Tod von HR” prophezeien?
Welche Teile von HR werden in einigen Jahren von Maschinen übernommen werden, und wie können sich Personalverantwortliche als “Chief Change Officers” positionieren?
Auf dem HR Hackathon in Berlin hatten wir 2016 die hochinteressante Keynote “What the hell is up-to-date Leadership”, gehalten von Scrum Masterin und agile Coach Birgit Mallow.
Aufgrund des lebhaften Austausches nach der Keynote sowie des starken Interesses der Teilnehmer, mehr zu agilen Prinzipien für HR zu erfahren, haben Birgit und ich beschlossen, das Seminar “HR goes Agile – agile Vorgehensweisen für HR kennenlernen und den Weg bereiten” zu organisieren.
Hier das Interview mit Birgit Mallow im Vorfeld des Seminars.
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Das Interview mit Birgit Mallow zu agile HR
Als Organisationsentwicklerin und Agile Coach liegt mir die Einführung agiler Vorgehensweisen am Herzen, und das nicht nur in der IT.
Online-Recruiting.net:
Birgit, Du hast beim 2. HR Hackathon in Berlin die Keynote “What the hell is up-to-Date Leadership” gehalten.
Um was genau ging es in Deiner Keynote, und was waren die Dinge und Reaktionen, die Dir im Austausch mit den Corporate HR Vertretern dort aufgefallen sind?
Birgit Mallow:
Als Organisationsentwicklerin und Agile Coach liegt mir die Einführung agiler Vorgehensweisen am Herzen, und das nicht nur in der IT.
Auch andere Bereiche können sehr von den agilen Praktiken und Vorgehensweisen profitieren.
Meine Erfahrung aus der Begleitung von Unternehmen auf ihrem Weg zu “agiler Organisation” ist, dass ein Wandel im Führungsverständnis und eine gute Unterstützung von HR wirklich kritische Erfolgsfaktoren sind.
Ich habe deshalb in der Keynote einen kurzen Überblick über die Prinzipien agilen Arbeitens am Beispiel von Scrum gegeben und insbesondere über die Scrum-Rollen und die Konsequenzen für Führung gesprochen.
Ein entscheidender Schlüssel sind in diesem Zusammenhang die agilen Werte. Denn für die meisten Firmen umfasst der IT-Bereich nur einen kleinen Teil der Belegschaft.
Oft sind andere Bereiche wie Vertrieb, Produktion oder Logistik viel größer als die Software- bzw. Produktentwicklung. Diese Bereiche unterliegen aber in der Regel ganz anderen Anforderungen als ein Entwicklungsbereich: Während in der Produktentwicklung der Schwerpunkt auf Effektivität und Raum für innovative und kreative Lösungen liegt, dominiert in vielen anderen Unternehmensbereichen der Effizienzdruck.
Nach meiner Erfahrung sind nur gemeinsame, wirklich gelebte Werte eine tragfähige Basis, um ein solches Unternehmen als Ganzes gut zusammenzuhalten.
Auf dem HR Hackathon traf diese These genau ins Schwarze. Viele Teilnehmer – Personaler, aber auch einige Entwickler – haben mir dies nach meinem Vortrag bestätigt. Und mehr noch: viele waren überrascht, wie gut die agilen Werte die so verschiedenen Bereiche eines modernen Unternehmens verbinden. Denn gute, gelebte Werte bieten Sinn und ermöglichen eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen.
Die agilen Werte bilden damit auch die Basis für ein angemessenes Verständnis für “up-to-date Leadership” und ebenso dafür, moderne Instrumente des Personalmanagements zu entwickeln.
Moderne HR hat die Rolle als Enabler und Begleiter.
Online-Recruiting.net:
Du hast es eben schon angesprochen: Agile Vorgehensweisen kennen wir ja vor allem aus der Software-Entwicklung. Wie passen denn HR und Agile zusammen, und welche Rolle nimmt HR in diesem Prozess / Ansatz ein?
Birgit Mallow:
In den letzten Jahren setzt sich die Erkenntnis durch, dass Scrum ein vielseitig geeignetes Prozess Framework für die Entwicklung von Produkten und Services ist.
Wir können Scrum als eine Ausprägung des Demingschen PDCA-Zyklus (Anm. d. Red.: PDCA= Plan – Do – Check – Act”) betrachten. IT-Kanban wiederum ist sehr gut geeignet für die Erbringung verschiedenster Services und Dienstleistungen. Damit sind Scrum und Kanban in vereinfachter Form auch als Rahmen für viele Personalprozesse geeignet.
HR hat zugleich aber auch eine Sonderstellung im Unternehmen: Hier werden die Instrumente für Führung und Personalmanagement entwickelt und eingeführt, die letztlich die Voraussetzung und der Rahmen dafür sind, dass sich ein Unternehmen nachhaltig zu einer “agilen Organisation” entwickelt.
HR hat hier also die Rolle als Enabler und Begleiter.
Große Konzerne und mittelständischen Unternehmen haben die Notwendigkeit zwar erkannt, tun sich aber mit der Umsetzung von Agilität schwer.
Online-Recruiting.net:
Damit sind wir bei den Veränderungsprozessen, die die Einführung Agiler Arbeitsweisen in der Regel mit sich bringt. Stichworte wie “Change Management” und (digitale) “Transformation” machen seit einigen Monaten die Runde in den einschlägigen HR Medien und werden diskutiert.
Alles heiße Luft? Aus Deiner Beratungserfahrung gesehen: Wo stehen die Unternehmen heute wirklich, wenn es um Agilität geht? Und gibt es Unterschiede zwischen den “kleinen” Unternehmen / Startups und den (ganz) Großen?
Birgit Mallow:
Die Digitalisierung befeuert den Trend zu agilen Vorgehensweisen seit einigen Jahren deutlich. Denn damit entsteht in immer mehr Branchen ein zunehmender Marktdruck und damit die Anforderung, sich intern anders aufzustellen, um Innovation und schnelle time-to-market überhaupt zu ermöglichen. Organisatorische Veränderungen werden zum Teil in sehr kurzer Zeit sehr dringlich.
Die kürzlich veröffentlichte Kienbaum-Studie zeigt meines Erachtens, dass Führung und HR in diesem Transformationsprozess zwar eine Schlüsselrolle zukommt, der “Reifegrad” in der Praxis aber durchaus noch einiges Optimierungspotenzial bietet.
Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen aus Beratung und Eindrücken aus vielen Gesprächen. Gerade die großen Konzerne und Mittelständischen Unternehmen haben die Notwendigkeit zwar erkannt, tun sich aber mit der Umsetzung von Agilität schwer.
Dabei gibt es durchaus probates Wissen, welches die kritischen Erfolgsfaktoren der Veränderung sind: Ideal ist, wenn das Top-Management voran geht und selbst anfängt, agile Praktiken zu nutzen. Wenn ein Transformations-Team gebildet wird und entweder dem CEO oder HR zugeordnet ist.
Vertreter aller Bereiche und Ebenen sowie insbesondere die Agilen Coaches oder Scrum Master des Unternehmens bilden die Mitglieder des Transformations-Teams. Und dieses Team führt gemeinsam und selbstorganisiert den Change Prozess, arbeitet also agil, angelehnt an Scrum.
Es nutzt das Vorgehen in kleinen Schritten und die regelmäßigen Lernschleifen. HR entwickelt, am besten ebenfalls agil, die passenden Instrumente für Führung und Personalmanagement.
Einerseits wird durch diese “intraorganisationale Referenz” die ausgelobte Strategie zu “Agilität” glaubwürdig und andererseits bietet das agile Vorgehen ein ausgezeichnetes Vorgehen für ein so komplexes Vorhaben wie eine Transformation zu einer agilen Organisation in einer digitalen Welt.
Kleine Unternehmen und StartUps arbeiten oft intuitiv schon recht agil. Hier liegt der Nutzen für Gründer, Geschäftsführer oder Personalverantwortliche darin, die Stolpersteine zu kennen und sie beim anstehenden weiteren Wachstum vermeiden zu können.
Mir geht es deshalb darum, ein kompaktes Format anzubieten, das genau auf die HR-Bedarfe zugeschnitten ist.
Online-Recruiting.net:
Was erwartet die Teilnehmer in Deinem Seminar ganz konkret? Bitte skizziere kurz die wichtigsten Inhalte und Fragestellungen, die wir dort er- und bearbeiten werden.
Birgit Mallow:
Für HR ist ein erster Zugang zu “agile” oft besonders schwierig, weil die Personal-Mitarbeiter ja selbst in der Regel nicht direkt mit den agilen Teams arbeiten.
Berichte der IT-Kollegen oder Scrum-Unterlagen bleiben dann abstrakt. Die marktüblichen Scrum-Seminare sind umfangreich und fokussieren meist sehr auf die Anwendung von Scrum in der Software-Entwicklung. Das geht an den Bedarfen von HR einfach vorbei und viele spezifische Fragen bleiben unbeantwortet.
Mir geht es deshalb darum, ein kompaktes Format anzubieten, das genau auf die HR-Bedarfe zugeschnitten ist: In einem eintägigen Seminar mit Workshop-Charakter möchte ich einen Einblick in die Prinzipien des agilen Arbeitens geben und das mit Simulationen und einfachen Übungen auch erlebbar machen.
Der Workshop-Teil bietet dann einen Transfer in den HR-Alltag: Welche agilen Praktiken sind auch im Personalbereich nützlich und einfach anwendbar? Welche Instrumente für Führung und Personalmanagement passen eher nicht oder sehr gut zu einer agilen Organisation? Wie kann HR die agile Transformation eines Unternehmens kompetent mitgestalten?
Das Seminar soll also Mut machen und konkretes Handwerkszeug für den Alltag bieten. Es gibt keine einfachen “Musterlösungen”, aber gute Erfahrungen aus verschiedensten Unternehmen. Mir ist wichtig, meine Erfahrungen aus Beratungsprozessen weiterzugeben und den Blick der Teilnehmer dafür zu schärfen, welche Stolpersteine es gibt und auf was sie achten sollten.
In der Praxis findet dann jedes Unternehmen, das sich ernsthaft auf den Weg zu mehr Agilität macht, seine ganz eigenen guten Lösungen.
Ich möchte den Teilnehmern darüber hinaus auch die Möglichkeit geben sich auszutauschen und zu vernetzen. Für “Agile working” sind lebendige Communities förderlich – das hat uns die IT seit vielen Jahren vorgemacht. Und das können wir auch für andere Bereiche nutzen.
Deshalb freue ich mich schon sehr auf dieses ganz besondere Event!
Online-Recruiting.net:
Danke, Birgit, für die vielen lehrreichen Einblicke! Auch ich freue mich auf unser Event!
Infos & Daten
Ein wirklich toller Ansatz. Ich denke, dass gerade im HR noch enorm viel Potential für Innovation steckt. Der heutige Arbeitsalltag von Personalern besteht aus vielen administrativen Aufgaben obwohl mehr Zeit in strategische und operative Aufgaben gesteckt werden müsste. Agile Methoden können hier helfen etwas an der Situation zu ändern.