Prolog – wie alles begann
Haben Sie sich schon mal mit dem Thema Hochsensibilität befasst? Ich denke, das könnte auf Sie zutreffen.
Informieren Sie sich im Internet. Wenn Sie Gesprächsbedarf haben, kann ich Ihnen folgende drei Therapeuten empfehlen, die sich auf hochsensible Menschen spezialisiert haben.
So las ich im Mai 2016 in einer E-Mail von einer Bekannten, die ich um Rat in einer bestimmten Sache gebeten hatte.
BÄM!
Das saß!
Wie bitte?
Was sollte ich sein?
Ein Sensibelchen? Ein Weichei? Ein Schwächling?
Ich, die ich auf internationalen Bühnen in drei Sprachen referiert und präsentiert hatte?
Die internationale Investmentfirmen über deutsche, französische und weitere Jobbörsenmärkte beraten hatte?
Die Eva, die den 2. HR Hackathon in völliger Eigenregie organisiert, geplant, vermarktet und moderiert hatte, ohne dass dabei nennenswerte Zwischenfälle aufgetreten waren?
Nein, nein, nein, hier lag ganz klar ein Irrtum vor!
Ich hatte mit so einem Unfug sicher nichts zu tun. Das konnte gar nicht sein.
Ich schloss die E-Mail, ja, ich schloss das ganze E-Mail Programm und widmete mich einer anderen Aufgabe…
10 Minuten später…
… hatte ich mir dank Google einen breiten Überblick über das Thema Hochsensibilität verschafft.
Es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Ich war schockiert, und ich war erleichtert – beides zugleich.
Da standen plötzlich Antworten auf Fragen, die ich mir nie so recht gestellt hatte. Vielmehr sind mir wohl diese Fragen einfach irgendwann im Halse stecken geblieben, da sie niemand auch nur ansatzweise beantworten konnte oder wollte.
Ich fing an, mich mit Hochsensibilität auseinanderzusetzen.
Dabei bin ich auf viele Informationen, Bücher, Artikel, Menschen, Foren, Selbsthilfegruppen und was weiß ich noch alles gestoßen.
Auch auf diesen über 2,4 Millionen angesehenen TedXTalk von Elena Herdieckerhoff, der genau in der Zeit entstanden ist, als ich zum ersten Mal von Hochsensibilität hörte.
Der Talk gibt einen guten Überblick, auch wenn ich, dreieinhalb Jahre später, nicht mit allem einverstanden bin, was Elena sagt.
Die Frage der Definition: was ist Hochsensibilität
Viele der Beiträge, Bücher oder Artikel, die ich seitdem zu diesem Thema gesehen und gelesen habe, verärgern mich. Auch heute noch.
Ich habe nach einer Weile aufgehört. mir das reinzuziehen.
Ich finde mich darin nicht wieder, und Vieles von dem, was da draußen an “Wissen” kursiert, hilft der Diskussion nicht weiter.
Ja, denn Hochsensibilität ist in manchen Kreisen zu einem Modethema mutiert.
Buchtitel wie beispielsweise “Hochsensibel und trotzdem stark” oder “Zartbesaitet in der heutigen Zeit” oder auch “Wenn die Welt zu laut und zu überwältigend ist” leiten die Diskussion um diesen Wesenszug in eine meiner Meinung nach ungute Richtung.
Hochsensibilität ist weder eine Krankheit noch eine Persönlichkeitsstörung oder gar ein Klotz am Bein, der wegtherapiert werden muss.
Das Phänomen Hochsensibilität ist erstaunlich schlecht erforscht, beziehungsweise wird kaum erforscht. Aber das ist kein Wunder: Es ist kein Mainstream, und wie man damit Geld machen kann, ist den Wenigsten klar.
Was mich ebenfalls irritiert, sind Aussagen wie “hochsensible Personen sind “Low-Performer” am Arbeitsplatz”, sie wären zu schnell mit allem überfordert oder bräuchten eine Art Sonderbehandlung. Das stimmt nicht.
Auch geht man davon aus, dass 15-20 Prozent aller Lebewesen hochsensibel sind.
Das glaube ich nicht. Wenn ich mich umsehe, tippe ich eher auf knapp 5 Prozent.
Weg mit den gängigen Glaubenssätzen, her mit den positiven Aspekten von Hochsensibilität
Lange Zeit habe ich mich mit dem Begriff Hochsensibilität und all dem, was dazu gehört, herumgeschlagen.
Wenn ich heute darüber schreibe, so habe ich endlich den Weg gefunden, gut dazu kommunizieren zu können.
Ich habe mit dem Thema Frieden geschlossen!
Deswegen werde ich nach dieser langen thematischen Einleitung beschreiben, was Hochsensibilität für mich und meine Arbeit bedeutet, welche Aspekte ich daraus gezielt in meiner Arbeit nutze, und was Firmen von hochsensiblen Mitarbeitern lernen können.
Hier die Agenda:
- Extrem komplexes, stark vernetztes Denken, stets sinnstiftend und lösungsorientiert
- Was Organisationen von hochsensiblen Mitarbeitern lernen können
- Projekte oder “Schnellboote” navigieren: fail fast
- Authentisch sein – als Arbeitgeber
- Innovationsmanagement: Trendsetter, Trendbarometer und Dinge sehen, die es (noch) nicht gibt
- Es knirscht im Karton? Spannungen im Team und Frühwarnsysteme
- Fazit
Extrem komplexes, stark vernetztes Denken, stets sinnstiftend und lösungsorientiert
Ja, das ist eigentlich schon alles.
Aber ich werde das im Detail erläutern und mit Beispielen aus meiner Arbeit untermauern.
Komplexes, vernetztes Denken – Lösungsansätze und Beratung
Wenn ich Informationen bekomme – egal, in welcher Form – flitzt mein interner “File-Finder” los und gleicht diese permanent mit bereits “gespeicherten” Daten ab. Das geschieht automatisch, und es passiert häufig, dass ich größere, komplexere Zusammenhänge erkenne oder Analogien zu anderen Themen und / oder Menschen herstelle.
Daraus können dann neue Ideen, Produkte, Services, Lösungsansätze entstehen. Oder auch weitere Fragen, die in der Regel in die Zukunft oder auch in eine sinnvolle Weiterentwicklung eines Produkts, Services weisen.
Am liebsten setze ich diesen Aspekt in meinen Beratungsgesprächen ein. Dort laufe ich zur Höchstform auf und habe eine Menge Spaß, die verschiedenen Informationen, Aussagen und Ideen miteinander zu verknüpfen, um etwas Neues zu entwickeln oder Denkansätze zu vermitteln. Meistens habe ich dann auch einige passende Kontakte im Kopf, die hier gegebenenfalls weiterführend angesprochen werden können.
Trends erkennen, die es noch nicht gibt
Den HR Hackathon hatte ich in Gedanken konzipiert, als ich ein Interview mit dem US-Amerikaner Joel Spolsky, einer der Gründer von StackOverflow, geführt hatte.
Er hatte gesagt, dass man Recruiter und Software Entwickler nicht in einen Raum setzen könne, weil die Kommunikation nicht funktioniere.
Ich fand das für den US-amerikanischen Markt durchaus zutreffend, aber nicht für den deutsch-sprachigen. Hier ticken HRler anders.
Es war genau an der Zeit, solch ein Event zu organisieren, obwohl wir damit viel zu früh am Markt waren.
Kaum jemand außer den Entwicklern selbst wusste zu der Zeit (2014), was ein Hackathon ist.
Heute gewinnen diese Event-Formate auf Corporate (HR) Ebene an Bedeutung.
Marktbewegungen voraussagen
Nein, das hat nichts mit Kristallkugeln oder Hokus Pokus zu tun.
Dennoch erlaubt es mir meine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu überblicken und aufkommende Trends zu erkennen, gewisse Marktbewegungen vorauszuahnen.
Ich liege dabei meistens richtig – nicht immer natürlich, sonst wäre ich bereits eine Heilige 😉
Daher auch mein starkes Interesse unter anderem an dem “Programmatic Thema” (das ich übrigens schon 2014 auf dem Schirm hatte und 2016 einiges vorausgesagt hatte, was 2019 tatsächlich eingetroffen ist), an innovativen Jobbörsen Geschäftsmodellen (Stichwort: Surge Pricing) und an den Entwicklungen bei Google for Jobs.
Dem Super GAU entgegenwirken
Wie oben angedeutet, habe ich den 2. HR Hackathon 2016 im Alleingang ohne nennenswerte Zwischenfälle organisiert und durchgeführt.
Hochsensible Menschen haben die Möglichkeit, alle möglichen und un(!)möglichen Unwägbarkeiten und größten anzunehmenden Unfälle im Voraus zu denken.
Dabei bleibt es natürlich nicht: Wir suchen und finden auch die passende Lösung und planen alles so, dass der Super GAU erst gar nicht eintreten wird.
Daher sind HSP (Abkürzung für “Hochsensible Personen”) die geborenen Event-Planer und -Sparring Partner von A bis Z.
Extreme Fast-Learner
Ich lerne normalerweise sehr schnell. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne verschaffe ich mir einen umfassenden Überblick über komplexe Themen und Zusammenhänge und kann darüber sprechen sowie passende Verständnis– und weiterführende Fragen stellen.
So bin ich zum Beispiel in meinen Beratungscalls immer sehr schnell im Thema drin und kann gezielt weiterhelfen und -denken.
Authentitzitäts- und Stimmungsdetektor
Unechtes und aufgesetztes Handeln oder Verhalten sind mir ein Gräuel.
Hochglanz Fassaden entlarve ich aus 200 Metern Entfernung.
Im Employer Branding wäre diese Fähigkeit mit Sicherheit gut aufgehoben – aber welches Unternehmen zeigt sich schon gerne ungschönt und ungeschminkt?
In Räumen erspüre ich die generelle Stimmung, auch, wenn diese am Kippen ist.
Wer hier frühzeitig handelt, kann Schlimmeres vermeiden.
Das Gleiche gilt für Menschen und Gruppen, zum Beispiel Teams.
Was Organisationen von hochsensiblen Mitarbeitern lernen können
Es gäbe noch viel mehr in der Liste oben zu ergänzen, aber lasst uns einen Blick auf das werfen, was Unternehmen von hochsensiblen Mitarbeitern, die in den meisten Fällen ebenfalls die oben beschriebenen Fähigkeiten besitzen, lernen können:
Projekte oder “Schnellboote” navigieren: fail fast
In meinem Beitrag zur Effectuation Logik nach dem Webinar mit agile Coach Birgit Mallow schrieb ich von “Schnellbooten“: Das sind schnell aufgesetzte Projekte über eine kurze Testphase.
Hochsensible Mitarbeiter werden sehr früh erkennen, ob dieses Schnellboot oder jedes andere geplante Projekt ein Top oder ein Flop wird.
Birgit hat das kürzlich sehr treffend in einem unserer Telefonate formuliert:
Hochsensible Mitarbeiter wissen, dass der Zug zwischen Hannover und Berlin entgleisen wird, da ist der Zug noch nicht einmal aufgeschient.
Besser kann man das nicht sagen.
Wenn Manager jedoch eine hieb- und stichfeste Erklärung und Darlegung der Risiken verlangen, kann es mitunter schwierig werden: das komplexe Denken der hochsensiblen Mitarbeiter hat anhand von zahllosen, verschiedenen Verknüpfungs- und Datenpunkten ein Ergebnis hervorgebracht.
Meistens können wir nur in Ansätzen beschreiben, was uns zu dem Ergebnis “Top” oder “Flop” gebracht hat. Nun ja, aber meistens sind diese Anhaltspunkte, die man sich als HSP für die Argumentation heranzieht, völlig ausreichend – so jedenfalls meine Erfahrung.
Authentisch sein – als Arbeitgeber
Nicht nur mir sind Fassaden zuwider. Das geht den meisten hochsensiblen Menschen so. Im Prinzip mag das NIEMAND, aber Hochsensible werden dies schneller wahrnehmen.
Lasst Eure hochsensiblen Mitarbeiter zu Wort kommen, wenn Ihr als authentischer Arbeitgeber kommunizieren möchtet.
Und ja, das kann wehtun.
Zudem muss eine vertrauenseinflößende Umgebung sichergestellt werden, in der sich ALLE ohne Vorbehalt ausdrücken können.
Keine Schubladen, keine Etiketten, viel kreativer Freiraum – Diversity in Reinkultur.
Innovationsmanagement: Trendsetter, Trendbarometer und Dinge sehen, die es (noch) nicht gibt
Alle Welt redet von Innovationskultur. Innovationspotenzial ist die neue Business Währung.
Lasst hochsensible Mitarbeiter zu Wort kommen und ihre scheinbar verrückten Ideen präsentieren – ohne irgendwen oder -was zu bewerten.
Manches mag dann in der Tat “verrückt” (medititert mal das Wort “verrückt”) klingen, aber eventuell steckt dahinter eine ausgereifte Business Idee, die Ihr schon frühzeitig zur Blüte bringt.
Es knirscht im Karton? Spannungen im Team und Frühwarnsysteme
Hochsensible erspüren Spannungen in der Atmosphäre.
Das ist ideal für Unternehmen, in denen an Spannungen im Team gearbeitet werden muss.
Hört und vertraut auf die Frühwarnsysteme von (hochsensiblen) Mitarbeitern – ich setze das bewusst in Klammern, da dies kein Privileg von Hochsensiblen ist.
Wenn irgendwo ungute Stimmung und Spannungen gemeldet werden, sollte jedes Unternehmen reagieren.
Schießlich zeigen hochsensible Menschen auf, was zu viel des Guten ist: zu viel Arbeit, zu viel Stress, zu viel überhaupt.
Und auch hier gilt, dass HSP keineswegs das Primat haben. Sprich: Jeder Mensch wird irgendwann feststellen, wann bestimmte Grenzen erreicht sind.
Hochsensible Mitarbeiter werden diese Grenzen jedoch viel früher erkennen und können hier wertvolle Vorarbeit leisten, bevor eine Firma gänzlich den Bach runtergeht.
Stress, Druck und ständige Performance Analysen bringen niemanden weiter.
Wenn das Thema Burnout und neuerdings auch Burnout Prävention und betriebliches Gesundheitsmanagement immer mehr in HR Einzug halten, heißt das für mich, dass hier viel zu lange auf die Produktivitätstube gedrückt worden ist.
Fazit
Hochsensible Menschen und Mitarbeiter sind Leute wie Jedermann und -frau.
Alles, was ich oben beschrieben habe, gilt ebenfalls für “Normal Sensible“.
Bei Hochsensiblen ist die Verarbeitung von inneren und äußeren Reizen in vielen Punkten einfach etwas schneller und intensiver als bei Anderen.
Das ist sowohl Geschenk als auch Herausforderung: wo viel Licht ist, können Schatten länger erscheinen.
Daraus jedoch irgendwelche Empfehlungen zu geben, damit sich Hochsensible am Arbeitsplatz wohler oder besser verstanden fühlen oder wie sich Arbeitgeber HSP gegenüber verhalten sollten, halte ich für nicht zweckdienlich.
Jeder ist für sich selbst und sein/ihr Glück selbst verantwortlich.
Das gilt natürlich auch für Organisationen, die mitunter ein sehr großes (hochsensibles) Potenzial in ihren eigenen Reihen birgen und dieses verkümmern lassen, weil sie nicht genau hinsehen oder hinhören.
Schließlich geht es darum, ein gutes Zusammensein auf und während der Arbeit zu ermöglichen, sinnvoller und sinnstiftender Arbeit nachzugehen und ehrliche, authentische Kommunikation innerhalb des Unternehmens zu fördern.
Artikelbild von: janrye from Pixabay